Petrus Paganus

(* 30.03.1532 bis † 29.05.1576 in Wanfried)

Seit Januar 1561 ist es amtlich: Petrus Paganus, hier besser bekannt als Peter Dorfheilige, wurde in den Adelsstand erhoben. Eine Abschrift der Nobilitierung und Wappenverleihung schlummert in Österreichs Staatsarchiv. Die versierte Gästeführerin Carmen Günter förderte diese Nachricht zutage. „Die Erhebung gilt auch für seinen Bruder Johannes und den ehelich geborenen Söhnen“, berichtete sie und lichtete die Urkunde vom 9. Januar 1561 ab. Unter dem 17. Juni 1560 steht über ihn zu lesen: „Hessen kann sich freuen über den Dichter, der aus den Wäldern kam, durch Hessen fließt weit die Visurgis (Wisera – Werra) auf das berühmte Wanfrid zu schwankt sie im Bogen, zügellos fließt sie durch die Landschaft…“, gemeint ist Petrus Paganus Vianfridensis Hessus.

Bevor wir in Wanfried etwas wirklich Wichtiges über jemanden erfahren, ist der meist schon tot. Bei Paganus war das auch so, der ist unter der Erde seit 1576, genauer gesagt, unter der St. Veitskirche. Er wurde nur 44 Jahre alt, aber das hatte seine Gründe: „Am 29. Mai starb dahier der Professor der Dichtkunst und Geschichte zu Marburg“, heißt es beim Chronisten Reinhard Strauss. Was für ein Anfang, der mit dem Ende beginnt. Der Professor Petrus Paganus war zu Lebzeiten nämlich ein richtiger Star mit Künstlernamen. Er kannte sich so gut in der lateinischen Sprache aus, dass er die Verse aus dem Stegreif hinschmettern konnte. Hinschmettern passt an dieser Stelle deshalb so gut, weil er beim Versemachen meistens so betrunken war, dass es ihn dabei hinschmetterte. Und dann war es auch nicht schlimm, dass keiner seiner Leute mehr das Gefasel verstand, jedenfalls den Wanfriedern war das egal, die konnten eh kein Latein. Er war aber – betrunken oder nüchtern – als guter Versmacher bekannt, genauso wie seine Kollegen Erbanus Hessus und Euricius Cordus und alle anderen Poeten des 16. Jahrhunderts.

Paganus wurde am 30. März 1532 in Wanfried geboren, ging in Eschwege zur Schule und wurde zum Weltenbummler. Er hat Belgien, Frankreich, Italien und Österreich (1554 bis 1561) gesehen. In Österreich hat ihm der Kaiser Ferdinand persönlich den Lorbeerkranz auf den Kopf gesetzt oder in die Hand gedrückt und ihn zum Oberdichter gemacht. Fotos gibt’s ja davon leider nicht. Schade, denn das war ja praktisch das Finale von „Der Kaiser sucht den Dichter-Star“, das der Peter gewonnen hat. Die nächste Dichterkrönung gab es erst wieder 1724. Mit der Auszeichnung in der Tasche ist er dann nach Marburg gegangen und hat als Professor der „Beredsamkeit und Dichtkunst“ ab 1561 den Studenten die Kunst der schönen Worte näher gebracht.

Sein Privatleben aber war ein einziges Fest. Locker und leichtsinnig soll er gewesen sein, immer ein Glas Wein in der einen und eine Frau an der anderen Hand. Das soll dann auch zu seinem frühzeitigen Tod geführt haben. Aber kurz zuvor hatte er beschlossen sich zu bessern, die Vielweiberei wollte er gegen eine Ehefrau eintauschen und verarbeitete dieses Vorhaben in seinen Texten von Schwänken und Anekdoten. Aber die Frauen, die noch zu haben waren, wollten den Dichter nicht. Ich nehme an, der hatte Mundgeruch, wegen mangelnder Hygiene der Zähne. Als er sich mit dem Singledasein abgefunden hatte, ließ er es sich bis zu seinem Ableben richtig gut gehen, trank und dichtete viel. Das berühmteste Werk entstand nicht umsonst nach einem Saufgelage bei den Herren des Deutschen Ritterordens in Marburg. Der Dichter war so blau, dass er nur noch mit Hilfe von zwei Studenten auf den Beinen bleiben konnte. Und trotzdem hat er auch dabei noch Geschichte geschrieben: „Sta pes; Sta mi pes; sta pes, ne labere mi pes! Ni steteris lapides hi tibi lectus erunt!“, heißt: „Steh Fuß; steh mein Fuß; steh Fuß; lass mich nicht ausrutschen mein Fuß! Sonst wird mir der Steinboden zum Bette!“

Nach und nach ist er dann aber doch zu der Einsicht gekommen, dass ihm eine Ehefrau vielleicht ganz gut tun könnte. Die Tochter eines Marburger Ratsherren hatte er sich darum ausgesucht. Doch bevor er deren Papa fragen wollte, ob er ihm seine Tochter und deren Mitgift übergeben könnte, wählte er den kurzen Weg und sprach die Dame selbst aufs Heiraten an. Vorher hat er sich erst mal Mut antrinken müssen und dann kurzerhand in ihr Ohr gefaselt, dass er noch im selben Jahr “Irgendeine zum Altar schleppen” wolle. Bei 2,6 Promille und ohne ausreichende Mundhygiene war klar: die Frau will den Saufbold nicht. Dem Dichter hat sie dann erst mal erklärt, wo der Bartel den Most holt. Sie hat ihm gesagt, dass er heiraten soll wann und wen er will, denn auch sie würde heiraten wann und wen sie will. Eine bessere Abfuhr hätte der Dichter nicht fangen können. Danach wollte er wirklich nie wieder heiraten. Und das hat er durchgezogen bis zum Schluss. Der kam dann auch sehr schnell, am 29. Mai 1576, und seine Mutter hat ihn unter der evangelischen Kirche begraben lassen. Jetzt sollen seine Reste ungefähr vor dem von Scharfenberg’schen Familiensitz liegen. Eine Grabplatte gibt’s auch noch. Die hängt im Eingangsbereich der Kirche. Und während wir uns in Wanfried an ihn erinnern, beschäftigen sich die Wiener Gymnasiasten bei Lateinwettbewerben noch heute mit dem Humanisten unserer Stadt. Respekt!