Die Stadtkirche

Die Stadtkirche zu Wanfried

Wissenswertes über das Gebäude und die Geschichte der Stadtkirche, das Eisenacher Regulativ und interessante Persönlichkeiten.

Prähistorische Funde verweisen darauf, dass der gesamte Kirchrain schon lange kirchliches Eigentum war. Pfarrhaus, Totenhof, Pesthaus, Nonnenburg und Obere Mädchenschule waren dort zu finden. Mit der Grabstätte des Petrus Paganus, der als Peter Dorfheilige in Wanfried geboren wurde, in die Welt hinaus zog, Professor für Dichtkunst und Geschichte in Marburg wurde und 44-jährig in seiner Heimatstadt starb, ruht unter der Wanfrieder Kirche ein bedeutender Mensch.

Wanfried wird Ende des 16. Jahrhunderts als Hafenstadt und Binnenhafen der Freien Stadt Mühlhausen ein strategisch wichtiger Ort an der Grenze zu Thüringen. Reich verzierte, prunkvolle Kaufmannshäuser werden gebaut. Die Gemeinde wächst stetig. Die Zeit der zweiten Reformation fällt in diese Blütezeit Wanfrieds. Der Landesherr Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, der auch „der Gelehrte“ genannt wird, folgt der strengeren protestantischen Ausrichtung der Reformation, dem Calvinismus. Als er Wanfried im Jahr 1608 die Stadtrechte verleiht, gewinnt er noch mehr Einfluss und Ansehen. Das prägt auch die Entwicklung der Kirchengemeinde. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Wanfrieder Kirchengemeinde seiner streng reformierten Ausrichtung angeschlossen und das reformierte Bekenntnis angenommen hat. Hinweise darauf sind das Goldkreuz ohne Korpus im Altar, die Austeilung beider Sakramente am Altar und der Verzicht auf Bilder im Innenraum der Kirche.

Doch die Chronik der Stadt Wanfried enthält auch diesen Eintrag, den Kantor Hotzell in seinem Tagebuch vermerkt hatte: „Am 25. Juni 1626 wurde die Stadt von Tilly‘schen Truppen überfallen und geplündert. Es kam innerhalb der Stadt zu einem erbitterten Straßenkampf, in welchem besonders das Schloss und die Kirche hartnäckig verteidigt wurden. Gegen vier Uhr nachmittags wurde letztere gestürmt und die Verteidiger zum größten Teile niedergemacht. Gegen Abend bildete ein großer Teil der Stadt ein Flammenmeer; nicht weniger als 70 Wohnhäuser, ohne die Nebengebäude, fielen hierbei den Flammen zum Opfer. Die Stadt bot nach diesem für sie so denkwürdigen Tag ein gar trauriges Bild. Die Wachtürme waren zerstört, die Torwachen demoliert, Türen und Fenster des Rathauses, der Kirche sowie der meisten Privathäuser zertrümmert, rauchende Schutthaufen und überall in den Straßen die Spuren eines wilden Kampfes.“ Dokumente über die St. Veitskirche und die Kirchenbücher vergangener Jahre wurden danach nicht mehr gefunden. Erst 1648, nach dem Westfälischen Frieden, wurde die Kirche wieder aufgebaut.

Ende des 18. Jahrhunderts hat Wanfried seinen Status als Handelsstadt verloren. Das Geld wird knapp und der Erhalt der St. Veitskirche für die Gemeinde immer schwerer. Es sollte beinahe 50 Jahre dauern, bis man sich aus Rentabilitätsgründen gegen eine Sanierung der St. Veitskirche und für einen Neubau ausspricht. Die Kosten wurden auf 45.000 Taler veranschlagt. 1837 wurden erste Baupläne erstellt, die 1885 dank der Unterstützung von Karl Xaver von Scharfenberg umgesetzt werden konnten. Die Baugeschichte der Kirche verweist über alle Steine, Farben und Muster hinaus auf die tiefen Zusammenhänge im Wirken von Gott und den Menschen.

2014

1. April, der Förderverein Stadtkirche zu Wanfried e.V. wird gegründet.

2013

Abschluss der Innenrenovierung und Beginn der Arbeiten am Außenchor.

2011

Die Kirche erstrahlt im alten Glanz.

2007

Die Innenrestaurierung wird beschlossen.

1983

Die goldene Kugel des Wetterhahns leuchtet, tausende Menschen sehen sich das rätselhafte Spektakel an.

1962

wird die Innenrenovierung beschlossen.

1945

Wieder werden zwei Glocken eingeschmolzen, und 1950 wieder neu angebracht.

1938

Das Geläut wird elektrifiziert.

1921

Zwei neue Glocken werden angebracht.

1917

Zwei Glocken werden eingeschmolzen.

1888

Richtfest findet am 30. Juli statt, die Einweihung am 9. Oktober.

1885

Grundsteinlegung am 17. Mai.

1884

Letzter Gottesdienst in der St. Veitskirche ist am 7. September. Am nächsten Tag beginnen die Abbrucharbeiten. Erster Spatenstich für den Neubau ist am 11. Oktober.

1883

Der Kirchenneubau wird beschlossen.

1837

Landesbaumeister Mathei aus Eschwege spricht sich für einen Kirchenneubau aus.

1723

Die Elfuhrglocke wird in Mühlhausen durch Glockengießer Ketzler umgegossen.

1708

Eine Verordnung verbietet das Tabakschnupfen in der Kirche.

1692

Ein Kirchenumbau beginnt, eine Freitreppe wird angelegt.

1673

Im Kirchturm wird eine Sonnenuhr angebracht.

1659

Der Turm der Kirche wird mit Ochsenzungen neu gedeckt.

1645

Sergeant „Daniel Vnkravt“, ein Torwächter der Stadt, stiftet der Gemeinde eine Zinnkanne mit Siegel.

1626

Die Tilly’schen Truppen überfallen die Stadt. Die Kirche wird gegen 4 Uhr nachmittags gestürmt, ihre Verteidiger zum größten Teil getötet.

1608

13. August, Landgraf und Calvinist Moritz von Hessen-Kassel verleiht dem Ort Wannefriedenn die Stadtrechte.

1576

29. Mai, Petrus Paganus, der mit dem goldenen Lorbeerkranz gekrönte Dichterfürst, stirbt in Wanfried. Seine Gebeine werden im Chor der St. Veitskirche beigesetzt.

1503

Die St. Veitskirche bekommt eine neue Glocke.

813

In einer Schenkungsurkunde des Grafen Erpho an das Bistum Würzburg wird der Wanfried als „In wanen In Riden“ erstmals urkundlich erwähnt.

723

Bonifatius kommt nach Thüringen und Hessen. "Wenn doch Friede schwebe über dieser Aue!", soll er über dem Werratal ausgerufen haben. Bonifatius lässt auf dem Grund der heutigen Kirche eine Holzkapelle zu Ehren St. Vitus errichten. "St. Bonifacius fundator Civitatis Wanfriedae" heißt es im Stadtwappen.

722

Der Angelsachse Winfried Bonifatius wird zum Missionsbischof geweiht.

531

Der Wohnplatz (Uaneureodun, Uanofrieden, Uanenrieden oder In wanden In Riden) an der Werra wird gegründet.

“Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.”

(Ps. 127,1)

St. Vituskirche bis 1884

Diese Bildtafel zeigt den Apostel Marcus.
Es ist eine von vier Bildtafeln, die aus dem Vorgängerbau erhalten gebieben sind. Diese Holzkapelle trug den Namen St. Veits- oder Vituskirche. Der Heilige Vitus lebte um 303 in Sizilien und gehört zu den 14 Nothelfern. In mehr als 1.000 Jahren, in der Stadt und Gemeinde wuchsen, kam es an der St. Veitskirche zu einigen Um- und Ausbauten. Auch 1692 wurde die Kirche umgebaut und außerhalb eine Freitreppe angelegt. Im selben Jahr wurden die letzten 1.000 Taler für die Verleihung der Stadtrechte bezahlt.
In die Jahre gekommen und gefährlich baufällig, musste in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Abriss der Kirche beschlossen werden. Der letzte Gottesdienst in der St. Veitskirche fand am 7. September 1884 statt. Nur wenige Gegenstände aus der St. Veitskirche sind erhalten geblieben. Darunter die Bilder einiger Apostel und Epitaphien. Im Vorraum der Kirche hängt die Grabplatte des Petrus Paganus (1532 – 1567), einem bedeutenden Literaten seiner Zeit. Sie ist unscheinbar, aber von großem Wert. Schließlich wurde Paganus 1560 in Wien zum „poeta laureatus“ ernannt, dem Lorbeer gekrönten Dichter. Zu seinen bekanntesten Werken gehört eine elegische Ansprache an den gekreuzigten Christus. Die Gebeine des „author Petrus Poeta“ liegen unter der St. Veitskirche begraben.
Nach dem Abriss der St. Veitskirche entwarf der Königliche Baurat Hermann Rüppel aus Kassel eine neue Kirche. Architekten, Handwerker und Dekorationsmaler schufen ein Meisterwerk neugotischer Baukunst. Die Größe der Sandsteine, die Ausmaße der Rundbögen, Fenster und Dächer zeugen noch heute davon, dass auf kleiner Fläche Großes geschaffen wurde. Das Eschweger Kreisblatt schreibt im Oktober 1888: "Wir hatten Gelegenheit, den in unserer Nachbarstadt Wanfried errichteten Prachtbau zu bewundern und müssen gestehen, dass er sich den Besten seiner Zeit würdig anreiht."
Große Kirche

Der Schatten des Kirchengebäudes fällt auf die Nachbargrundstücke. Der Kirchplatz ist klein, die Umgebung eng bebaut, der Glockenturm mit dem vergoldeten Wetterhahn prägt das Gesicht der Stadt. Der Kirchenbau ist eine außergewöhnliche Arbeit aus dem 19. Jahrhundert. Die dreischiffige Hallenkirche mit Querhaus ist ein Natursteinwerk im neugotischen Stil. Die Steine der Rippenansätze stammen aus Altenburschlaer, die der Pfeiler aus Madelunger Sandsteinbrüchen. Das Gewölbe wurde aus Tuffsteinen gefertigt.
Die Kirche hat eine quadratische Vierung und einen weiten Querrahmen. Fünf Schlusssteine machen das Gewölbe selbsttragend. Auf den Säulen sitzen fein gearbeitete Kapitelle. Die frühgotischen Formen wirken an einigen Stellen verspielt. Die Spitzen im Vierpass der Chorfenster überkreuzen sich, die Säulen weisen eine doppelte Wirbelung auf, die Blenden im Seitenschiff sind durchbrochen.
Hermann Rüppel war ein Schüler von Georg Gottlob Ungewitter (1820 – 1864). In Wanfried geboren, lehrte er als Architekt und Baumeister an der Höheren Gewerbeschule in Kassel. Er zählte zu den ersten Vertretern der Wiederbelebung gotischer Formen in Deutschland. Die feinen Details von Säulen und Fenstern, die Rüppel entwarf, sind wahrscheinlich der Lehre Ungewitters zu verdanken.

Für den landeskirchlichen Architekten Rudolf Toursel ist im Jahr 2007 die Reinheit des neugotischen Baustils von großer Bedeutung. Innen wie außen hat Kollege Rüppel diese umgesetzt. Bei anderen Kirchen dieser Zeit finden sich meist viele Stilrichtungen an einem Gebäude, die Wanfrieder Kirche gilt als „schulmäßig stilrein“. Ein Blick aus dem Inneren der Kirche zeigt die unmittelbare Nähe zur Gemeinde. Der halbrunde Treppenaufgang in der Schlagdstraße dient seit Beginn der Fotografie als Bühne der Erinnerung an Hochzeiten, Taufen und Konfirmationen.

Länge: 37 Meter, Breite: 25 Meter, Firsthöhe: 21 Meter im Kirchenschiff, 52 Meter im Kirchturm, 3.300 Quadratmeter Wände und Decken, 900 Laufmeter Rippen und Dienste.

Orgel

Die Gebrüder Peternell aus Seligenthal bei Schmalkalden bauten die Orgel und stellten sie 1888 auf. Das Orgelgehäuse wurde in „neogotischer Manier“ gehalten. In der Wanfrieder Orgel stecken 1736 Pfeifen aus Zinn, Zink und Holz. Die Orgelwerkstatt Peternell war bekannt für ihre romantisch klingenden Orgeln. Passend zur wunderbaren Ausmalung hob der Klang dieser Orgel die romantische Schönheit der Kirche noch hervor. Nach einem Umbau in den 1960er Jahren wurden die Pfeifen im Stil der Zeit verändert und die romantischen Klänge zurückgenommen. Auch heute noch füllt die „Königin der Instrumente“ mit ihren 26 klingenden Registern, auf zwei Manualen und Pedal den Raum mit Musik der Jahrhunderte aus.

Die Orgel wird nun seit fast 40 Jahren vom Organisten Hans-Jörg Schneider bespielt. Die Gemeinde schätzt seine beherzte und beschwingte Art des Spiels und seine tollen Improvisationen. Gefragt, wann er diese komponiere, sagte er einmal: „Das spiele ich immer so, wie es mit an dem Tag eingegeben wird!“

Die Orgel in Wanfried „Zum Lobe Gottes und zur Erbauung der Gemeinde“ hat 2 Manuale und Pedal, 26 klingende Register und 3 gemischte Stimmen von mehr als zwei Chören.

Kleine Chronik der Orgel
  • 1888 von den Gebrüder Peternell in Seligenthal gebaut
  • 1925 Überholung durch die Firma Euler
  • 1965 Umbau auf Elektrofizierung, Klangveränderung durch die Firma Euler
  • 1988/89 Renovierung: Windladen der Orgel aus Wolfhagen wurden durch die Firma Lötzerich / Ippinghausen eingebaut. Durch den bestehenden Wartungsvertrag konnte die Firma Krawinkel / Deisel nach dem Tod von Hr. Lötzerich die anstehenden Arbeiten übernehmen.
  • 1991 Einweihung der renovierten Orgel
  • 2008 Reinigung und Neuintonation der Orgel durch die Firma Krawinkel.

Maßnahmen im Sommer 2008 (bis zum 1. Advent) – Sanierungsmaßnahme mit Neuintonierungam Orgelwerk

  • Teilausbau des Instrumentes bis auf die Windladenebene
  • Ausbau des gesamten Pfeifenwerkes sowie des Schwellwerkgehäuses
  • sorgfältige Reinigung aller Orgelpfeifen und Werkteile
  • Reinigung der Windladen und der Windanlage
  • Instandsetzung der Spieltraktur
  • Überarbeitung der Ventilfedern
  • Nachbesserung der Registermagnete
  • Versiegelung und Politur der Pedal- und Manualklaviatur

Intonation und Stimmung

Da die bisherige Intonation auf die damals vorherrschende neobarocke Klangvorstellung „zurechtgestutzt“ wurde, war die Intonation dem Zeitgeist entsprechend fundamentlos und mager angelegt. Nach dem Wiederaufbau wurde daher jedes Register sorgfältig „neu“ intoniert, um den kraftvollen und gravitätischen Klang wieder zu gewinnen. Die vormalige „romantische“ Intonation der historischen Register bildete die Grundlage für die Intonation. Die Einstimmung der Orgel erfolgt im Normalton a’: 439,7 Hz bei 15°C.

Kosten der gesamten Maßnahme 26.800 Euro

Licht – Auferstehung

"Jeglicher fremde Einfluss auf die Architektur des Gebäudes soll vermieden werden", so lautet der Tenor einer Diskussion über das neue Beleuchtungskonzept. Dann erwähnte der landeskirchliche Architekt Rudolf Toursel einen Leuchter aus der Zeit um 1888, der auf dem Dachboden seiner Wolfhager Heimatkirche liegen solle. Auch an dieser Kirche hatte Gottlob Ungewitter die Planung und Bauleitung der neugotischen Umgestaltung (1862 bis 1864) geleitet. Der Leuchter stammt aus dem Jahr 1880 und passt perfekt in die Wanfrieder Kirche.
Heute rückt dieser besondere Leuchter den Kirchenraum ins rechte Licht. Als Dauerleihgabe wurde er der Wanfrieder Gemeinde von der Wolfhagener Gemeinde auf unbestimmte Zeit zur Verfügung gestellt. Der achtgliedrige Radleuchter symbolisiert die Auferstehung Jesu Christi und die Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde.
Im Andenken

Firma Peter Israel und der Geschichtsverein Wanfried stifteten 1921 die Gedenktafeln für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges. In der Kirche befinden sich sieben Tafeln mit insgesamt 280 Namen – zum Gedenken aller Kriegsopfer auf Erden. Über den vorderen Portalen befinden sich zwei Psalmzitate. Das eine preist „die Wohnung“ Gottes als Ort seiner Gegenwart. Im anderen Psalmzitat wird selig gesprochen, wer Gottes Wort hört und danach lebt. Raum und Inhalt werden so zu einander in Bezug gesetzt.
Sternenhimmel

Der Altarraum ist der Ort der Vereinigung von Gott und Mensch. Früher war das Allerheiligste nur den Priestern zugänglich. Aber durch Jesu Sühnetod wird den Menschen in der Taufe die Erlösung zum ewigen Leben verheißen – und damit die ewige Gemeinschaft mit Gott. Alle Getauften sind eingeladen, sich im Sakrament des Abendmahls am Altar stärken zu lassen und sich mit Gott und den Menschen zu verbinden – als Versöhnte, als Schwestern und Brüder, als Kinder Gottes.
Auch in der Wanfrieder Kirche glänzt der Altarraum durch seine vielfältige und dichte Ausmalung. Die Bemalung über dem Altar soll das Himmelszelt darstellen. Im Hauptfenster befinden sich die Darstellung der Christianisierung und die Wappen Deutschlands, Preußens, Hessens und der Stadt Wanfried. Der Sockel darunter ist mit einem gemalten Wandbrokat belegt. Den Höhepunkt der Ausmalung des Altarraumes bildet der Schlussstein. Er zeigt eine Taube als Symbol des Heiligen Geistes, der im Glauben wirkt und lebendig macht.

"Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken!", die Worte Jesu (Mt. 11, 28) zieren den umlaufenden Sandsteinsims hinter dem Altar. Sie laden die versammelte Gemeinde ein, sich am Altar durch Wort und Sakrament stärken zu lassen.

Renovierungen

Am 30. März 1962 wurde eine umfassende Renovierung der Kirche beschlossen. Das Ergebnis begleitete die Besucher des Gotteshauses 45 Jahre lang. 40.000 DM kosteten die Innenarbeiten, die der Kunstmaler Landgrebe aus Kassel in Gemeinschaftsarbeit mit drei Wanfrieder Firmen ausführte. Zitat aus der Werra-Rundschau 1962: "… Alles ist schlicht und einfach gehalten, und das große Kirchenschiff wirkt jetzt viel heller und freundlicher."
Erst im Jahr 2007, als die Kirche einen neuen Anstrich benötigte, fanden Fachleute bei einer restauratorischen Voruntersuchung unter einer Schicht Leimfarbe die ursprüngliche Ausmalung. Diese schien sehr gut erhalten. Die Entscheidung, die ursprüngliche Bemalung zu rekonstruieren, wurde getroffen. Die Kirche sollte wieder so gezeigt werden, wie sie einst von Architekten, Handwerkern und Künstlern erschaffen worden war. Kirchenmaler und Vergolderinnen machen sich ans Werk. Gut erhaltene Muster wurden freigelegt, Fehlstellen Strich für Strich in mühsamer Feinarbeit ergänzt. Diese millimeterfeine Strichretusche stellt gegenüber der flächigen Übermalung eine Herausforderung in Sachen Geduld und ruhiger Hand dar. Einige Monate hatten die Kirchenmaler damit zu tun.
Meister-Werk

Der Kassler Dekorationsmaler Reinhard Hochapfel (1823-1903) schuf mit der Ausmalung der Kirche seinerzeit ein Kunstwerk. Mit seinen Schablonen, seiner Farbwahl, seinem Gespür für die Gedanken der Menschen, die diesen Raum betreten würden, hinterließ er etwas Einzigartiges. Es war das Zeitalter der Ornamentik und Farbe. „Deckenflächen belebt man mit goldenen und silbernen Sternen, die Wände des Altarraumes bemalt man in dem unteren Teil etwa 1,50 bis 2 Meter hoch mit einem in kräftigen Farben gehaltenen Teppichmotiv, das kirchliche Muster enthalten soll“, so steht es auch im Handbuch für Zimmer- und Dekorationsmaler von 1909 geschrieben.
Reich stilisiert und dennoch leicht in ihrer Wirkung, verstärkt sich die Intensität der Deckenbemalung jeweils auf die Schlusssteine hin. Für eine solche Kunst brauchte der Künstler eine ruhige Hand. Dabei sei erwähnt, dass Ende des 19. Jahrhunderts die Gerüste, auf denen sich die Künstler bewegten, ebenfalls einem Baukunstwerk glichen. Ohne festen Stand hätte es keine solche Verzierung geben können. Hochapfels reiche Phantasie zeigt sich in wunderbarer Ornamentik, rahmt Fenster, ziert sämtliche Rippen zu den Gewölbekappen, formt das sternenreiche Universum über dem Altar.
Feinstes Blattgold belegt Rippenansätze, umschließt florale Muster und das goldene Kreuz über dem Altarraum. Das Gewölbe erinnert an die Weite des Himmels und zugleich an die heilsame Begrenzung menschlicher Möglichkeiten und menschlichen Lebens. Zeitlichkeit und Ewigkeit, Menschliches und Göttliches kommen zusammen.
Die Glocken

Die Kirche ist dann vollendet, wenn Glockenschläge die Lebenden rufen und die Toten zu Grabe geleiten. Die Wanfrieder Kirche hatte immer schon drei Glocken. Die ältesten stammten aus dem 15. Jahrhundert, die dritte aus dem Jahr 1503 soll die schönste gewesen sein. Sie trug die Inschrift: A + O W.+++ Anno M D III (Alpha + Omega: ich bin der Anfang und das Ende; nach Wanfried gehöre ich; Im Jahr 1503).
In den Jahren 1703 bis 1815 mussten diese nach und nach umgegossen werden. Im Jahr 1917 wurden zwei Glocken dem Ersten Weltkrieg geopfert und eingeschmolzen. Nach einem letzten Läuten wurden die Glocken zerschlagen, das herrliche Geläut zertrümmert. Und "das klingende Klagen der Zerstörung legte sich über alle Dächer und Straßen der Stadt und trieb manchem die Tränen in die Augen", heißt es in der Chronik. Am 30. September 1921 wurden zwei neue Glocken am Wanfrieder Bahnhof in Empfang genommen. Doch auch im Zweiten Weltkrieg, im Januar 1945, wurden die Glocken aus dem Jahr 1815 und 1921 in Stücke geschlagen und aus dem Turm geworfen. Am Heiligen Abend 1950 konnten zwei neue Glocken eingeweiht werden. Eine trägt die Inschrift: "Gewalt vergeht, das Schwert zerbricht, Gott führt allein durch Not und Licht, Oh Land, Land, Land, höre des Herrn Wort."
Baugeschichte

Neubau: 1884 bis 1888 / Baukosten: 186.000 Goldmark (etwa 1.833.960 Euro)

Beteiligte:
Hermann Rüppel, Königlicher Baurat, Land-Bauinspektor und Architekt, Kassel; Reinhard Holzapfel, Maurermeister, Eschwege; Friedrich Potente, Privatbaumeister, Kassel; Eduard Holzapfel, Zimmermeister, Eschwege; Nikolaus Müller, Bauführer; Carl Gernhard, Maurerpolier, Wanfried; Gustav Besser, Architekt und Ingenieur, Wanfried; Fa. Jung, Zimmerei, Wanfried-Aue; Fa. Hengsbach, Dachdecker, Kassel; Fa. Hochapfel, Altar- und Kanzelbau, Kassel; Fa. Gebr. Ely, Kirchenfenster, Kassel-Wehlheiden; Fa. F.W. Weule, Turmuhr, Bockenem; Fa. Fischer und Stiehl, Heizungsanlage, Kassel; Reinhard Hochapfel, Dekorationsmaler, Kassel; Wanfrieder Handwerker: Lorenz Kniriem, August Albrecht, Adam Enters, Christian Breßler, Georg Stück, Georg Zeuch, Friedrich Daul, Wilhelm Jung


Restaurierung: 2008 bis 2013 / Renovierungskosten: 620.000 Euro

Beteiligte:
Institut für Konservierung und Restaurierung unter der Leitung von Gerd Belk.
Ausführung: Thomas Auel, Dietmar Frenzel, Jens Schirmer und Alexander Klassen.
Architekturbüro Eberhardt & Apel mit Dipl.-Ing. Walter Henning.
Evangelische Landeskirche von Kurhessen – Waldeck mit Architekt Rudolph Toursel.
Kirchenkreis Eschwege, Dekan Dr. Martin Arnold und Kirchenkreisamtsleiter Andreas Koch.
Firma Feige (Elektroinstallation); Firma „Fritz macht Licht“ (Beleuchtung)
Landesamt für Denkmalpflege Hessen unter der Leitung von Prof. Dr. Gerd Weiß, mit den Bezirkskonservatoren Dr. Verena Jacobi, Dr. Maria Wüllenkemper, Dr. Claus Wolf und Sven Raecke.

Johannes Gleim
(* 1653 bis † 1697)

Er war bekannt als der „Pestpfarrer“ und kümmerte sich im „Pestjahr“ 1682 aufopferungsvoll um seine Gemeindeglieder. In diesem Jahr beerdigte er über 300 Menschen. Die Chronik berichtet, dass er „seinem Gewissen folgte und gemäß der ihn tragenden Hoffnung seinen Dienst tat.“ Er tröstete die Erkrankten und diejenigen, die durch Tod oder Flucht ihrer Angehörigen verlassen wurden. Er ermunterte „zur Geduld und Beständigkeit im Glauben“. Auch Konrad Wetzestein, Martin Klaus, Christian Döring, Georg Weske und Jakob Sänger werden in der Chronik als Menschen benannt, die (…) in unermüdlicher Hilfsbereitschaft und Unerschrockenheit ihren Mitbürgern halfen“. Die Pest rottete über 40 Wanfrieder Familien aus. Alle wurden außerhalb der Stadt auf dem „Pestacker“ begraben. Darunter auch der Kantor Jakob Faber, ein Freund von Johannes Gleim. Ihm zu Ehren und allen anderen zum Gedenken pflanzte Gleim im Jahr 1683 einen Lindenbaum aufs Grab. Noch heute ist diese „Pestlinde“ dort zu finden.

Vergessen sind Grabhügel und Pestfriedhof,
verfallen die schwarzen Kreuze.
Lebendig ist nur der Lindenzweig.
Er wuchs empor,
zum kräftigen Stamm,
zur mächtigen Linde,
und scheint alles zu überdauern.

Reinhard Hochapfel
* 28.04.1823 bis † 07.07.1903 in Kassel

Der Kassler Dekorationsmaler gab der Raumschale der Kirche die farbenprächtige Fassung. Als Mensch mit vortrefflichen Charaktereigenschaften beschrieb ihn 1903 die Zeitschrift Hessenland, er übernahm Armenpflege und Vormundschaften und gründete als Künstler die Kassler Kunstgewerbeschule. “Die große Wandfläche des Treppenhauses in Schloss Friedrichshausen bei Lollar schmückt eine illusionistisch gemalte Loggia, durch die man auf eine Blumenwiese blickt. Ein Sternenhimmel überspannt den Aufgang, dessen Szenerie ein gläsernes Oberlicht in ein natürliches Licht- und Schattenspiel taucht. Urheber dieses illusionistischen Schmucks war kein Geringerer als der angesehene Dekormaler Reinhard Hochapfel (1823-1903) aus Kassel, der unter anderem auch auf Schloss Wilhelmshöhe tätig war.” Dieses Zitat aus Monumente online sagt aus, dass Hochapfel ein besonderer Künstler seiner Zeit gewesen sein muss. Auch in der Wanfrieder Stadtkirche ist besonders der von ihm gestaltete Sternenhimmel über dem Altar bewundernswert. Heute wieder in ganzer Schönheit zu sehen.

Landgraf Moritz von Hessen-Kassel
(* 25.05.1572 in Kassel bis † 15.03.1632 in Eschwege)

genannt „der Gelehrte“, trat 1605 zum Calvinismus über. Nach dem Grundsatz des Augsburger Religionsfriedens („Cuius regio, eius religio“) hatte der Landesherr das Recht, einen Bekenntniswechsel auch bei seinen Untertanen durchzusetzen. Allerdings war der Augsburger Religionsfrieden nur zwischen Lutheranern und Katholiken geschlossen worden, und seine Anwendbarkeit auf Reformierte war fragwürdig. Auf jeden Fall ging Moritz über den Auslegungsspielraum hinaus, als er das reformierte Bekenntnis auch in den Landesteilen einführte, die 1604 bei der Aufteilung der Erbmasse der ausgestorbenen Linie Hessen-Marburg an Hessen-Kassel gekommen waren und für die ein Konfessionswechsel durch testamentarische Verfügung ausgeschlossen war. Rechtswidrig war ebenso der erzwungene Konfessionswechsel an der gesamthessischen Universität Marburg, der 1607 die Gründung der lutherischen Universität Gießen durch Hessen-Darmstadt zur Folge hatte. Er war der Sohn des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen-Kassel und dessen Ehefrau Sabine von Württemberg, galt als “umfassend gebildet”, mit einer Erziehung, die ganz im Sinne von Philipp Melanchthon und Martin Bucer ausgerichtet war. Reformiert wurde er aber erst durch den Einfluss seiner beider Ehefrauen. Moritz soll acht Sprachen gesprochen haben, war naturwissenschaftlich interessiert und alchemistischen Experimenten gegenüber nicht abgeneigt. Prunkvolle Aufzüge, Ritterspiele und Allegorien waren sein Ding. Er ließ das Ottoneum in Kassel, den ersten eigenständigen Theaterbau im deutschsprachigen Raum, bauen, war kundiger Musiker und ernstzunehmender Komponist, der Heinrich Schütz entdeckte und förderte.

Verheiratet war er mit Agnes von Solms-Laubach, die am 23. November 1602 verstarb und mit der er eine Tochter und zwei Söhne, darunter den späteren Landgrafen Wilhelm V. von Hessen-Kassel, hatte. Nach dem Tod seiner ersten Frau ging er am 22. Mai 1603 mit Juliane von Nassau-Dillenburg eine zweite Ehe ein. 14 Kinder hatten die beiden, Juliane setzte durch, dass ihre Kinder ein Viertel von Hessen-Kassel als erbliche Lehen erhielten (Rotenburger Quart). So entstanden mit den drei überlebenden Söhnen Julianes – Hermann von Hessen-Rotenburg, Friedrich von Hessen-Eschwege und Ernst von Hessen-Rheinfels – die landgräflichen Nebenlinien Hessen-Rotenburg, Hessen-Eschwege, Hessen-Wanfried und Hessen-Rheinfels (jüngere Linie).

1598 wandelte Moritz seine Pagenschule in eine Hofschule für Adelige und Bürger um. Daraus entstand später das Collegium Mauritianum, das 1618 nochmals modernisiert und zum Collegium Adelphi Mauritianum umgewandelt wurde. Als erster Präfekt wurde Ernst von Börstel gewonnen.

Moritz agierte in seiner Regierungszeit öfters unglücklich und verlor zunehmend das Vertrauen der Landstände. So führte er riskante Aktionen an der Peripherie seines Territoriums durch, wie etwa den katastrophalen Feldzug an den Niederrhein gegen die spanische Besetzung des Hochstifts Münster 1598/99 oder die gescheiterte Besetzung der Koadjutorenstelle des Hochstifts Paderborn 1604. Ab 1604 kam es im Zuge des Marburger Erbschaftsstreits zu langwierigen Konflikten mit Hessen-Darmstadt. Moritz verlor dann 1623 einen Prozess am Reichshofrat, durch den er nicht nur die Marburger Erbschaft, sondern auch Teile Niederhessens sowie Schmalkalden und Katzenelnbogen als Kostenpfand abtreten musste. Seine Hinwendung zu landfremden Beratern vergiftete zusätzlich das Verhältnis zu den Ständen.

Im Dreißigjährigen Krieg, in dem Hessen zu den am stärksten verwüsteten Gebieten gehörte, brachte Moritz sich durch seine Parteinahme für die Protestantische Union und sein militärisches Engagement zugunsten des Dänenkönigs Christian IV. auch in Gegnerschaft zum Kaiser. In den frühen 1620er Jahren war die Ritterschaft nicht mehr bereit, dafür die hohen Kosten zu tragen. Endgültig brachte der Einmarsch ligistischer Truppen unter General Tilly den Bruch, als die Ständevertreter ohne Wissen des Landgrafen mit dem General in Verhandlungen traten. Moritz erhob darauf den Vorwurf des Landesverrats und verlor somit den letzten Rest Vertrauens der Stände. Am 17. März 1627 wurde er von den Landständen gezwungen, zu Gunsten seines Sohns abzudanken.
Bereits 1623 wurde Moritz durch Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen. Moritz erhielt den Gesellschaftsnamen „der Wohlgenannte“ und die Devise „in fleißiger Übung“. Als Emblem wurde ihm der Spindelbaum (Euonymus europaea L.) zugedacht. Im Köthener Gesellschaftsbuch der Gesellschaft findet sich Landgraf Moritz’ Eintrag unter der Nr. 80.
Nach seiner Abdankung im Jahr 1627 zog sich Moritz zunächst auf das Schloss Melsungen, dann nach Frankfurt zurück und machte später das Schloss Eschwege zu seinem Altersruhesitz. Oberhessen wurde an Hessen-Darmstadt abgetreten, und Moritzens Kanzleidirektor Dr. Günther wurde hingerichtet. Moritz fertigte auf Schloss Melsungen mehr als vierhundert Zeichnungen, Skizzen, Bestandspläne und Bauentwürfe an, die über die Stadt, ihren Grundriss und ihre Bauwerke am Anfang des 17. Jahrhunderts Aufschluss geben. Ferner war er damit beschäftigt, die Zukunft zu deuten und den Stein der Weisen zu suchen.
Landgraf Moritz starb im Alter von 60 Jahren am 15. März 1632 in Eschwege. Zu seinen Ehren wurde die voluminöse Gedenkschrift Monumentum Sepulcrale gedruckt. (Wikipedia)

Petrus Paganus
(* 30.03.1532 bis † 29.05.1576 in Wanfried)

Seit Januar 1561 ist es amtlich: Petrus Paganus, hier besser bekannt als Peter Dorfheilige, wurde in den Adelsstand erhoben. Eine Abschrift der Nobilitierung und Wappenverleihung schlummert in Österreichs Staatsarchiv. Die versierte Gästeführerin Carmen Günter förderte diese Nachricht zutage. „Die Erhebung gilt auch für seinen Bruder Johannes und den ehelich geborenen Söhnen“, berichtete sie und lichtete die Urkunde vom 9. Januar 1561 ab. Unter dem 17. Juni 1560 steht über ihn zu lesen: „Hessen kann sich freuen über den Dichter, der aus den Wäldern kam, durch Hessen fließt weit die Visurgis (Wisera – Werra) auf das berühmte Wanfrid zu schwankt sie im Bogen, zügellos fließt sie durch die Landschaft…“, gemeint ist Petrus Paganus Vianfridensis Hessus.

Bevor wir in Wanfried etwas wirklich Wichtiges über jemanden erfahren, ist der meist schon tot. Bei Paganus war das auch so, der ist unter der Erde seit 1576, genauer gesagt, unter der St. Veitskirche. Er wurde nur 44 Jahre alt, aber das hatte seine Gründe: „Am 29. Mai starb dahier der Professor der Dichtkunst und Geschichte zu Marburg“, heißt es beim Chronisten Reinhard Strauss. Was für ein Anfang, der mit dem Ende beginnt. Der Professor Petrus Paganus war zu Lebzeiten nämlich ein richtiger Star mit Künstlernamen. Er kannte sich so gut in der lateinischen Sprache aus, dass er die Verse aus dem Stegreif hinschmettern konnte. Hinschmettern passt an dieser Stelle deshalb so gut, weil er beim Versemachen meistens so betrunken war, dass es ihn dabei hinschmetterte. Und dann war es auch nicht schlimm, dass keiner seiner Leute mehr das Gefasel verstand, jedenfalls den Wanfriedern war das egal, die konnten eh kein Latein. Er war aber – betrunken oder nüchtern – als guter Versmacher bekannt, genauso wie seine Kollegen Erbanus Hessus und Euricius Cordus und alle anderen Poeten des 16. Jahrhunderts.

Paganus wurde am 30. März 1532 in Wanfried geboren, ging in Eschwege zur Schule und wurde zum Weltenbummler. Er hat Belgien, Frankreich, Italien und Österreich (1554 bis 1561) gesehen. In Österreich hat ihm der Kaiser Ferdinand persönlich den Lorbeerkranz auf den Kopf gesetzt oder in die Hand gedrückt und ihn zum Oberdichter gemacht. Fotos gibt’s ja davon leider nicht. Schade, denn das war ja praktisch das Finale von „Der Kaiser sucht den Dichter-Star“, das der Peter gewonnen hat. Die nächste Dichterkrönung gab es erst wieder 1724. Mit der Auszeichnung in der Tasche ist er dann nach Marburg gegangen und hat als Professor der „Beredsamkeit und Dichtkunst“ ab 1561 den Studenten die Kunst der schönen Worte näher gebracht.

Sein Privatleben aber war ein einziges Fest. Locker und leichtsinnig soll er gewesen sein, immer ein Glas Wein in der einen und eine Frau an der anderen Hand. Das soll dann auch zu seinem frühzeitigen Tod geführt haben. Aber kurz zuvor hatte er beschlossen sich zu bessern, die Vielweiberei wollte er gegen eine Ehefrau eintauschen und verarbeitete dieses Vorhaben in seinen Texten von Schwänken und Anekdoten. Aber die Frauen, die noch zu haben waren, wollten den Dichter nicht. Ich nehme an, der hatte Mundgeruch, wegen mangelnder Hygiene der Zähne. Als er sich mit dem Singledasein abgefunden hatte, ließ er es sich bis zu seinem Ableben richtig gut gehen, trank und dichtete viel. Das berühmteste Werk entstand nicht umsonst nach einem Saufgelage bei den Herren des Deutschen Ritterordens in Marburg. Der Dichter war so blau, dass er nur noch mit Hilfe von zwei Studenten auf den Beinen bleiben konnte. Und trotzdem hat er auch dabei noch Geschichte geschrieben: „Sta pes; Sta mi pes; sta pes, ne labere mi pes! Ni steteris lapides hi tibi lectus erunt!“, heißt: „Steh Fuß; steh mein Fuß; steh Fuß; lass mich nicht ausrutschen mein Fuß! Sonst wird mir der Steinboden zum Bette!“

Nach und nach ist er dann aber doch zu der Einsicht gekommen, dass ihm eine Ehefrau vielleicht ganz gut tun könnte. Die Tochter eines Marburger Ratsherren hatte er sich darum ausgesucht. Doch bevor er deren Papa fragen wollte, ob er ihm seine Tochter und deren Mitgift übergeben könnte, wählte er den kurzen Weg und sprach die Dame selbst aufs Heiraten an. Vorher hat er sich erst mal Mut antrinken müssen und dann kurzerhand in ihr Ohr gefaselt, dass er noch im selben Jahr “Irgendeine zum Altar schleppen” wolle. Bei 2,6 Promille und ohne ausreichende Mundhygiene war klar: die Frau will den Saufbold nicht. Dem Dichter hat sie dann erst mal erklärt, wo der Bartel den Most holt. Sie hat ihm gesagt, dass er heiraten soll wann und wen er will, denn auch sie würde heiraten wann und wen sie will. Eine bessere Abfuhr hätte der Dichter nicht fangen können. Danach wollte er wirklich nie wieder heiraten. Und das hat er durchgezogen bis zum Schluss. Der kam dann auch sehr schnell, am 29. Mai 1576, und seine Mutter hat ihn unter der evangelischen Kirche begraben lassen. Jetzt sollen seine Reste ungefähr vor dem von Scharfenberg’schen Familiensitz liegen. Eine Grabplatte gibt’s auch noch. Die hängt im Eingangsbereich der Kirche. Und während wir uns in Wanfried an ihn erinnern, beschäftigen sich die Wiener Gymnasiasten bei Lateinwettbewerben noch heute mit dem Humanisten unserer Stadt. Respekt!

Hermann Rüppel
(* 1845 bis † 1900)

Der Königliche Baurat und Landbauinspektor war Architekt in Kassel. Nach seinen Entwürfen wurde die neugotische Stadtkirche gebaut. Rüppel war Architekturschüler des Wanfrieders Georg Gottlob Ungewitter (*1820 bis †1864), einem Baumeister und Lehrer an der Polytechnischen Schule in Kassel. Sein Geburtshaus steht unweit der Kirche in Richtung des Hafens.

Karl Xaver von Scharfenberg
(* 1849 bis † 1922)

In Bremen geboren, kam der Königliche Kammerherr und Rittmeister 1878 nach Wanfried. Er kaufte Gut Kalkhof, Werra-Mühle, Landgrafenschloss und Keudell’sches Schloss. Als Gönner der Stadt und der Kirche finanzierte er weite Teile des Neubaus und wurde in Baurechnungen als Bauherr genannt. Kunstsachverständige schrieben ihm Kunstverständnis und Geschmack zu. Davon zeugt auch die Innengestaltung der Wanfrieder Kirche. Am 17. April 1922 starb er in Wanfried und wurde auf dem Familienfriedhof „Konsulsgrab“ beigesetzt.

Informationen über das...

Erbaut in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ist die Wanfrieder Stadtkirche ein Beispiel für den Historismus und den Bau evangelischer Kirchen nach dem Eisenacher Regulativ von 1861. Bis ins Detail der Innenausstattung wird dieser architektonische „Standard“ befolgt. Die seit 2007 laufenden Restaurierungsarbeiten sind zum größten Teil abgeschlossen, womit der neugotische Originalzustand der Kirche innen wie außen nahezu wieder hergestellt wurde.

Das Eisenacher Regulativ

Regeln für den evangelischen Kirchenbau
beschlossen 1861 auf der Kirchenkonferenz in Eisenach unter Mitwirkung von:

  • Friedrich August Stüler, Geheimer Oberbaurat in Berlin
  • Christian Friedrich von Leins, Oberbaurat in Stuttgart
  • Conrad Wilhelm Hase, Baurat in Hannover

I. Jede Kirche sollte nach alter Sitte orientiert, das heißt so angelegt werden, daß ihr Altarraum gegen den Sonnenaufgang liegt.

II. Die dem evangelischen Gottesdienst angemessenste Grundform der Kirche ist ein längliches Viereck. Die äußere Höhe, mit Einschluß des Hauptgesimses, hat bei einschiffigen Kirchen annähernd 3/4 der Breite zu betragen, während es um so mehr den auf das akustische Bedürfnis zu nehmenden Rücksichten entspricht, je weniger die Länge das Maß seiner Breite überschreitet. Eine Ausladung im Osten für den Altarraum (Apsis, Tribüne, Chor) und in dem östlichen Teile der Langseiten für einen nördlichen und südlichen Querarm gibt dem Gebäude die bedeutsame Anlage der Kreuzgestalt. Von Zentralbauten ohne Kreuzarmansätze ist das Achteck akustisch zulässig, die Rotunde als nicht akustisch zu verwerfen.

III. Die Würde des christlichen Kirchenbaues fordert Anschluß an einen der geschichtlich entwickelten christlichen Baustile und empfiehlt in der Grundform des länglichen Vierecks neben der altchristlichen Basilika und der sogenannten romanischen (vorgotischen) Bauart vorzugsweise den sogenannten germanischen (gotischen) Stil. Die Wahl des Bausystems für den einzelnen Fall sollte aber nicht sowohl dem individuellen Kunstgeschmack der Bauenden als dem vorwiegenden Charakter der jeweiligen Bauweise der Landesgegend folgen. Auch sollten vorhandene brauchbare Reste älterer Kirchengebäude sorgfältig erhalten und maßgebend benutzt werden. Ebenso müssen die einzelnen Bestandteile des Bauwesens in seiner inneren Einrichtung, von dem Altar und seinen Gefäßen bis herab zum Gestühl und Geräte, namentlich auch die Orgel, dem Stil der Kirche entsprechen.

IV. Der Kirchenbau verlangt dauerhaftes Material und solide Herstellung ohne täuschenden Bewurf oder Anstrich. Wenn für den Innenbau die Holzkonstruktion gewählt wird, welche der Akustik besonders in der Überdachung günstig ist, so darf sie nicht den Schein eines Steinbaues annehmen. Der Altarraum ist jedenfalls massiv einzuwölben.

V. Der Haupteingang der Kirche steht am angemessensten in der Mitte der westlichen Schmalseite, so daß von ihm bis nach dem Altar sich die Längenachse der Kirche erstreckt.

VI. Ein Turm sollte nirgends fehlen, wo die Mittel irgend ausreichen, und wo es daran dermalen fehlt, sollte Fürsorge getroffen werden, daß er später zur Ausführung komme. Zu wünschen ist, daß derselbe in einer organischen Verbindung mit der Kirche stehe, und zwar der Regel nach über dem westlichen Haupteingange zu ihr. Zwei Türme stehen schicklich entweder zu den Seiten des Chors oder sie schließen die Westfront der Kirche ein.

VII. Der Altarraum (Chor) ist um mehrere Stufen über den Boden des Kirchenschiffes zu erhöhen. Er ist groß genug, wenn er allseitig um den Altar den für die gottesdienstlichen Handlungen erforderlichen Raum gewährt. Anderes Gestühl, als etwa für die Geistlichen und den Gemeindevorstand, und, wo der Gebrauch es mit sich bringt, der Beichtstuhl, gehört nicht dorthin. Auch dürfen keine Schranken den Altarraum von dem Kirchenschiffe trennen.

VIII. Der Altar mag je nach liturgischem oder akustischem Bedürfnis mehr nach vorne oder rückwärts, zwischen Chorbogen und Hinterwand, darf aber nie unmittelbar (ohne Zwischendurchgang) vor der Hinterwand des Chors aufgestellt werden. Eine Stufe höher als der Chorboden muß er Schranken, auch eine Vorrichtung zum Knieen für die Konfirmanden, Kommunikanten, Kopulanten usw. haben. Den Altar hat als solchen, soweit nicht konfessionelle Gründe entgegenstehen, ein Kruzifix zu bezeichnen, und wenn über dem Altartische sich ein architektonischer Aufsatz erhebt, so hat das etwa damit verbundene Bildwerk, Relief oder Gemälde, stets nur eine der Haupttatsachen des Heils darzustellen.

IX. Der Taufstein kann in der innerhalb der Umfassungswände der Kirche befindlichen Vorhalle des Hauptportals oder in einer daranstoßenden Kapelle, sodann auch in einer eigens dazu hergerichteten Kapelle neben dem Chor stehen. Da, wo die Taufen vor versammelter Gemeinde vollzogen werden, ist seine geeignetste Stellung vor dem Auftritt in den Altarraum. Er darf nicht ersetzt werden durch einen tragbaren Tisch.

X. Die Kanzel darf weder vor noch hinter oder über dem Altar, noch überhaupt im Chore stehen. Ihre richtige Stellung ist da, wo Chor und Schiff zusammenstoßen, an einem Pfeiler des Chorbogens nach außen dem Schiffe zu; in mehrschiffigen großen Kirchen an einem der östlicheren Pfeiler des Mittelschiffs. Die Höhe der Kanzel hängt wesentlich von derjenigen der Emporen (XIII.) ab, und ist überhaupt möglichst gering anzunehmen, um den Prediger auf und unter den Emporen sichtbar zu machen.

XI. Die Orgel, bei welcher auch der Vorsänger mit dem Sängerchor seinen Platz haben muß, findet ihren natürlichen Ort dem Altar gegenüber am Westende der Kirche auf einer Empore über dem Haupteingang, dessen perspektivischer Blick auf Schiff und Chor jedoch nicht durch das Emporengebälke beeinträchtigt werden darf.

XII. Wo Beicht- oder Lehrstuhl (Lesepult) sich findet, da gehört jener in den Chor (VII.), dieser entweder vor den Altar auf eine der Stufen, die aus dem Schiffe zum Chor emporführen, doch so, daß der Blick der Gemeinde nach dem Altar nicht verhindert werde, oder an einen Pfeiler des Chorbogens, um für den Zweck der Katechese, Bibelstunde und desgleichen vor den Altar hingerückt zu werden.

XIII. Emporen, außer der westlichen (XI.), müssen, wo sie unvermeidlich sind, an den beiden Langseiten der Kirche so angebracht werden, daß sie den freien Überblick der Kirche nicht stören. Auf keinen Fall dürfen sie sich in den Chor hineinziehen. Die Breite dieser Emporen, deren Bänke aufsteigend hintereinander anzulegen sind, darf, soweit nicht die Ausladung von Kreuzarmen eine größere Breite zuläßt, 1/5 der ganzen Breite der Kirche, ihre Erhebung über den Fußboden der Kirche 1/3 der Höhe derselben im Lichten nicht überschreiten. Von mehreren Emporen übereinander sollte ohnehin nicht die Rede sein.

XIV. Die Sitze der Gemeinde (Kirchenstühle) sind möglichst so zu beschaffen, daß von ihnen aus Altar und Kanzel zugleich während des ganzen Gottesdienstes gesehen werden können. Vor den Stufen des Chores ist angemessener Raum frei zu lassen. Auch ist je nach dem gottesdienstlichen Bedürfnis ein breiter Gang mitten durch das Gestühl des Schiffes nach dem Haupteingange zu, oder, wo kein solches Bedürfnis vorliegt, sind zwei Gänge von angemessener Breite an den Pfeilern des Mittelschiffes oder an den Trägern der Emporen hin anzulegen. Die Basen der Pfeiler sollen nicht durch Gestühl eingefasst werden.

XV. Die Kirche bedarf einer Sakristei, nicht als Einbau, sondern als Anbau, neben dem Chor, geräumig, hell, trocken, heizbar, von kirchenwürdiger Anlage und Ausstattung.

XVI. Vorstehende Grundsätze für den evangelischen Kirchenbau sind von den kirchlichen Behörden auf jeder Stufe geltend zu machen, den Bauherren rechtzeitig zur Kenntnis zu bringen und der kirchenregimentlichen Prüfung, beziehungsweise Besichtigung, welcher sämtliche Baurisse unterstellt werden müssen, zugrunde zu legen.

Quelle:
Fritsch, Karl Emil Otto (Hrsg.): Der Kirchenbau des Protestantismus von der Reformation bis zur Gegenwart. Berlin 1893, S. 237ff.