Ein Blick zurück

Prähistorische Funde verweisen darauf, dass der gesamte Kirchrain schon lange kirchliches Eigentum war. Pfarrhaus, Totenhof, Pesthaus, Nonnenburg und Obere Mädchenschule waren dort zu finden. Mit der Grabstätte des Petrus Paganus, der als Peter Dorfheilige in Wanfried geboren wurde, in die Welt hinaus zog, Professor für Dichtkunst und Geschichte in Marburg wurde und 44-jährig in seiner Heimatstadt starb, ruht unter der Wanfrieder Kirche ein bedeutender Mensch.

Wanfried wird Ende des 16. Jahrhunderts als Hafenstadt und Binnenhafen der Freien Stadt Mühlhausen ein strategisch wichtiger Ort an der Grenze zu Thüringen. Reich verzierte, prunkvolle Kaufmannshäuser werden gebaut. Die Gemeinde wächst stetig. Die Zeit der zweiten Reformation fällt in diese Blütezeit Wanfrieds. Der Landesherr Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, der auch „der Gelehrte“ genannt wird, folgt der strengeren protestantischen Ausrichtung der Reformation, dem Calvinismus. Als er Wanfried im Jahr 1608 die Stadtrechte verleiht, gewinnt er noch mehr Einfluss und Ansehen. Das prägt auch die Entwicklung der Kirchengemeinde. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Wanfrieder Kirchengemeinde seiner streng reformierten Ausrichtung angeschlossen und das reformierte Bekenntnis angenommen hat. Hinweise darauf sind das Goldkreuz ohne Korpus im Altar, die Austeilung beider Sakramente am Altar und der Verzicht auf Bilder im Innenraum der Kirche.

Doch die Chronik der Stadt Wanfried enthält auch diesen Eintrag, den Kantor Hotzell in seinem Tagebuch vermerkt hatte: „Am 25. Juni 1626 wurde die Stadt von Tilly‘schen Truppen überfallen und geplündert. Es kam innerhalb der Stadt zu einem erbitterten Straßenkampf, in welchem besonders das Schloss und die Kirche hartnäckig verteidigt wurden. Gegen vier Uhr nachmittags wurde letztere gestürmt und die Verteidiger zum größten Teile niedergemacht. Gegen Abend bildete ein großer Teil der Stadt ein Flammenmeer; nicht weniger als 70 Wohnhäuser, ohne die Nebengebäude, fielen hierbei den Flammen zum Opfer. Die Stadt bot nach diesem für sie so denkwürdigen Tag ein gar trauriges Bild. Die Wachtürme waren zerstört, die Torwachen demoliert, Türen und Fenster des Rathauses, der Kirche sowie der meisten Privathäuser zertrümmert, rauchende Schutthaufen und überall in den Straßen die Spuren eines wilden Kampfes.“ Dokumente über die St. Veitskirche und die Kirchenbücher vergangener Jahre wurden danach nicht mehr gefunden. Erst 1648, nach dem Westfälischen Frieden, wurde die Kirche wieder aufgebaut.

Ende des 18. Jahrhunderts hat Wanfried seinen Status als Handelsstadt verloren. Das Geld wird knapp und der Erhalt der St. Veitskirche für die Gemeinde immer schwerer. Es sollte beinahe 50 Jahre dauern, bis man sich aus Rentabilitätsgründen gegen eine Sanierung der St. Veitskirche und für einen Neubau ausspricht. Die Kosten wurden auf 45.000 Taler veranschlagt. 1837 wurden erste Baupläne erstellt, die 1885 dank der Unterstützung von Karl Xaver von Scharfenberg umgesetzt werden konnten. Die Baugeschichte der Kirche verweist über alle Steine, Farben und Muster hinaus auf die tiefen Zusammenhänge im Wirken von Gott und den Menschen.