Die Stadtkirche zu Wanfried – ein Baudenkmal des Historismus

und warum es sich lohnt, sich für seine Restaurierung zu engagieren.

von Wolf-Arthur Kalden

Die Wanfrieder Kirche, die in den Jahren 1884 bis 1888 gebaut wurde, ist ein besonders ausdrucksvolles Beispiel für den Historismus des 19. Jahrhunderts. Der Historismus ist eine Phase in der Architekturgeschichte, in der auf frühere (historische) Baustile zurückgegriffen wurde, wobei dann tatsächlich frühere Epochen parallel nebeneinander „wieder“-entstanden. Prägnantestes Beispiel ist wohl die Ringstraße in Wien, in der Klassik, Romanik, Gotik, Renaissance und Barock zitiert sind. Dort wurden die Baustile nach der Funktion des jeweiligen Gebäudes gewählt, d.h. die Epoche zitiert, in der die Funktion eine hohe Blüte erlebte. Das Burgtheater ist beispielsweise im Neobarockstil, die Staatsoper in Neorenaissance- und das Parlamentsgebäude in Neoklassikstil gebaut. Im Kirchenbau wurden die Romanik und die Gotik bevorzugt. Die Wanfrieder Kirche ist im neugotischen Stil gebaut. Baumeister war der königlichen Baurat Hermann Rüppel aus Kassel, Schüler des gebürtigen Wanfrieders Georg Gottlob Ungewitter. Ungewitter hat als Baumeister und Lehrer der Architektur gerade die Neugotik stark befördert, wobei seine Ideen und Vorschläge technisch zumeist höchstanspruchsvoll waren. Mit dem Eisenacher Regulativ (1861) wurde ein architektonischer Standard für evangelische Kirchen in Deutschland geschaffen. 16 Vorschriften beschreiben die Architektur und regeln die Innenausstattung. Dieser Standard behielt seine Gültigkeit bis 1908. Die Wanfrieder Kirche entspricht dem Eisenacher Regulativ vollumfänglich, ist schulmäßig stilrein, was nur sehr wenige Kirchengebäude vorweisen können.

Die Entscheidung des Kirchenvorstands zu Beginn des 21. Jahrhunderts, dem Rat des Denkmalschutzbeauftragten der Landeskirche Toursel zu folgen und die Gestaltung des Innenraumes wieder dem Originalzustand zuzuführen und die Stilistik der 60iger Jahre zu entfernen, war hierfür wegbereitend.

Inzwischen sind für sehr viel Geld nach den vorbereitenden Untersuchungen und Analysen die Außenfassade, die Fenster und große Teile des Innenraums restauriert und geben der Kirche eine besondere Atmosphäre.

Die Schale des Innenraums war mit hohem Aufwand bereits Anfang des neuen Jahrhunderts restauriert worden, die warme Farbgebung wieder hergestellt, die Ornamente freigelegt und ergänzt worden. Auch der Altar war als einziges Einrichtungsstück zu seiner ursprünglichen Farbgebung und Dekoration zurückgeführt worden. Mit Unterstützung des Kirchenerhaltungsfonds der Landeskirche nun waren in den letzten Jahren die Patronatsloge, die Sakristei und die vorderen Windfänge aufwändig restauriert worden und im letzten Jahr mit Hilfe der Kirchenerhaltungsstiftung des Kirchenkreises die üppig dekorierte Kanzel. Die ersten beiden Bankreihen wurden als Pilotprojekt in den originalen Zustand gebracht, so dass der vordere Teil der Kirche jetzt schon einen Eindruck des geplanten finalen Zustandes vermittelt. Einem von der Gemeinde entwickelnden Masterplan folgend muss sich in den nächsten Abschnitten der Ausstattung im Kirchenschiff zugewandt werden, dem Gestühl, der Empore, dem Orgelprospekt. Hierzu sind zunächst restauratorische Befunduntersuchungen erforderlich, die wichtige Hinweise für die Umsetzung der Restaurierung liefern. Das nächste größere Projekt ist dann die Restaurierung der Empore, für die wir Spenden sammeln. Bei der Restaurierung unserer Kirche geht es weniger darum, einen Gottesdienstraum zu verschönern. Das ginge wahrscheinlich auch preiswerter. Es geht eben auch um die Wiederherstellung eines wichtigen Baudenkmals unserer Region, vielleicht sogar darüber hinaus. Und da muss man im Sinne des Denkmalschutzes schon ein bisschen genauer und sorgfältiger schauen.

Ein großes Kirchengebäude wie die Wanfrieder Stadtkirche ist nicht nur Ausdruck besonderer Frömmigkeit der Bürger, sondern ganz bestimmt auch eine Demonstration der Schaffenskraft, des Gestaltungswillen und des Gemeinsinns der Bürgerschaft, die seinerzeit dem Initiator dieses Baus, Xaver von Scharfenberg, mit viel Kraft und Einsatz folgte und in nur vier Jahren die Kirche erbaute.

Der Erhalt eines solch wertvollen Gebäudes nun braucht auch heute Bürgersinn und Engagement. Wir bitten Sie daher herzlich um Ihre Spende.

Das geht einfach über die Spendenplattform betterplace.org
oder per Überweisung an FV Stadtkirche zu Wanfried, IBAN DE47 5225 0030 0005 0037 36 bei der Kreissparkasse Werra-Meißner.